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Kohlenhydratintoleranzen

Als Kohlenhydratintoleranzen werden im medizinischen Sprachgebrauch in der Regel chronische Abdominalbeschwerden bezeichnet, die nach dem Verzehr von Lebensmitteln auftreten, welche Laktose, Fruktose oder andere Mono- oder Disaccharide enthalten. Die Symptome ähneln häufig einem Reizdarmsyndrom und resultieren im Allgemeinen aus der Unfähigkeit des Organismus, diese Kohlenhydrate in ausreichendem Umfang im Darm zu verdauen und als Nährstoffe aufzunehmen.

Die zutreffendere klinische Bezeichnung für die mangelnde Verwertung der Zuckermoleküle ist der Begriff Kohlenhydratmalassimilation. Unter diesem Oberbegriff unterscheidet man aufgrund der vorliegenden Ursache für die Störung:

  1. Maldigestion, die durch eine reduzierte enzymatische Spaltungsaktivität von Mehrfachzuckern ausgelöst wird (z. B. Laktoseintoleranz)
  2. Malabsorption, die auf einer begrenzten intestinalen Aufnahmefähigkeit von Kohlenhydraten beruht (z. B. Fruktoseintoleranz)

Laktoseintoleranz

Laktose (Milchzucker) ist ein Disaccharid, das naturgemäß in Milch und daraus hergestellten Produkten enthalten ist. Laktose ist nicht vom Dünndarm resorbierbar, sondern muss zu diesem Zweck von dem Enzym Laktase in seine Bausteine Glukose und Galaktose gespalten werden. Diese beiden Monosaccharide können im Anschluss über die Dünndarmschleimhaut in das Blut aufgenommen werden. Man spricht von einer Laktoseintoleranz, wenn die Laktaseaktivität vermindert ist oder komplett fehlt. Dabei unterscheidet man zwischen einer primären und sekundären Laktoseintoleranz. Erstere geht auf genetische Ursachen zurück, eine sekundäre Laktoseintoleranz entsteht dagegen durch eine Grunderkrankung, die mit der Schädigung des Dünndarmepithels assoziiert ist, und ist durch die Behandlung dieser komplett reversibel.

Fruktoseintoleranz

Die Fruktosemalabsorption ist in Mitteleuropa noch häufiger anzutreffen als eine Laktoseintoleranz. Ca. 30 - 40 % der Bevölkerung leiden an einem verzögerten Fruktosetransport durch die Darmwand, dem eine gestörte Funktion des Glukosetransportproteins GLUT-5 (Glukosetransporter 5) in der Dünndarmschleimhaut zu Grunde liegt. Stress und erhöhte Glukokortikoid-Spiegel hemmen die Aufnahmekapazität für Fruktose ebenso.

Sorbitintoleranz

Sorbit (Sorbitol), der Zuckeralkohol der Fruktose, entsteht durch sogenannte „Katalytische Hydrierung“ aus Glukose und wird nach der Aufnahme im Körper in Fruktose umgewandelt. Sorbit ist natürlicherweise in vielen Früchten enthalten, wird aber von der Lebensmittelindustrie auch als Süßungsmittel, Trägerstoff oder Feuchthaltemittel eingesetzt (E-Nummer 420).

Saccharose-/Isomaltose-Intoleranz

Isomaltose gehört wie die Saccharose (Rohrzucker oder Haushaltszucker) zu den Disacchariden. Isomaltose kommt in freier Form z.B. in Honig vor und entsteht Isomaltose bei der Verdauung von Stärke und Glykogen im Darm. Bei der Saccharose-Isomaltose-Intoleranz liegt ein genetischer Defekt vor, der zu einem Mangel an dem Enzym Sucrase-Isomaltase führt.

Symptomatik bei Kohlenhydratintoleranzen

Die bakterielle Fermentation des Zuckerüberschusses im Dickdarm führt zur Gasbildung (Wasserstoff, Kohlendioxid, Methan), die sich ca. 30 Minuten bis 3 Stunden nach Aufnahme symptomauslösender Lebensmittel durch

  • Blähungen
  • abdominales Spannungsgefühl und
  • Bauchschmerzen

äußert.

Die Beschwerden können episodisch von Tag zu Tag wechseln und von mild bis massiv variieren. Dies ist u. a. von der Konzentration der verzehrten Kohlenhydrate abhängig.

Diagnostik von Kohlenhydratintoleranzen

Die Atemgasanalyse

Die Diagnose einer Kohlenhydratmalassimilation erfolgt nicht-invasiv mittels entsprechender Belastungstests und der Messung von molekularem Wasserstoff (H2), der bei der Vergärung der Kohlenhydrate entsteht, in der Atemluft (H2-Atemgasanalyse).

Funktionsprinzip/Testablauf:

Für den H2-Atemgastest werden nach Einnahme einer Lösung mit definierten Mengen des entsprechenden Kohlenhydrates in definierten Zeitabständen Atemgasproben des Probanden genommen. Der H2-Gehalt der Ausatemluft wird im Anschluss im Labor gemessen. Liegt keine Kohlenhydratmalassimilation bei dem Probanden vor, so sind infolge der Zuckereinnahme weder ein Anstieg der H2-Konzentration in der Ausatemluft noch Abdominalbeschwerden festzustellen. Patienten mit intestinalen Kohlenhydratintoleranzen weisen demgegenüber im zeitlichen Verlauf nach der Provokation einen signifikanten Anstieg der H2-Konzentration auf, was in Abhängigkeit vom eingesetzten Testzucker für das Vorliegen einer entsprechenden Malassimilation spricht. Bei einer klassischen Kohlenhydratintoleranz ist ein solcher Anstieg nach frühestens 60 Minuten, meist aber nach 90 Minuten zu beobachten.

Hinweis: 10 bis 25 % der europäischen Bevölkerung reagieren allerdings im H2-Atemgastest nach der Provokation nicht mit einem H2-Anstieg, obwohl sie an einer funktionellen Malassimilation leiden (H2-Non-Responder).

Die genetische Untersuchung

Ebenso kann auf genetischer Ebene untersucht werden, ob eine primäre Saccharose/Isomaltose-, Fruktose- oder Laktoseintoleranz vorliegt. Hier werden die dementsprechenden Gene auf vorhandene Mutationen untersucht.